Als Narcoblogs wird eine Reihe von anonym betriebenen und sehr populären Blogs bezeichnet, die über den Mexikanischen Drogenkrieg berichten, etwa El Blog del Narco, Narcomundo oder Borderland Beat. Sie sind die im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg bekannteste und wahrscheinlich umstrittenste Form von Social Media und berichten über jene Neuigkeiten, die Tageszeitungen und TV-Stationen nicht covern können oder wollen (siehe auch Verfolgung von Journalisten in Mexiko). Narcoblogs stützen sich in erster Linie auf Informationen, Fotos und Videos, die (ebenfalls anonym) eingesendet werden. In der Regel findet keinerlei journalistische Filterung im herkömmlichen Sinne statt, und die Blogs sind berüchtigt für ihr extremes Bildmaterial, bei dem es sich regelmäßig um Nahaufnahmen verstümmelter Leichen bzw. Videos von Folterungen und Ermordungen handelt. Vieles wird von den Drogenkartellen selbst eingeschickt, die diese Möglichkeit zur Selbstdarstellung nutzen, um ihre Grausamkeit zu glorifizieren und Feinde einzuschüchtern.[1] Narcoblogs stehen aus diesem Grund auch immer wieder in der Kritik.
Inhaltsverzeichnis
- 1 El Blog del Narco
- 2 Kritik
- 3 Einzelnachweise
- 4 Weblinks
El Blog del Narco
Der älteste und bekannteste dieser Blogs ist der "Blog del Narco", der Anfang 2010 gegründet wurde und dessen Erfolg zahlreiche Nachahmer auf den Plan gerufen hat. Er wird von einem anonymen (nach eigenen Angaben) Informatikstudenten betrieben und verzeichnet monatlich rund drei Millionen Zugriffe. Die Gerüchte, dass er direkte Verbindungen zum organisierten Drogenhandel habe, weist der Gründer in einem seiner sehr seltenen Interviews zurück.[2] In jedem Fall scheint der Blog del Narco von den Kartellen oft für PR-Zwecke genutzt zu werden. Er veröffentlicht jedoch auch immer wieder Fotos und Videos von Tatorten oder Szenen, die nur dem Militär oder der Polizei zugänglich sind, sodass auch Einsendungen von dieser Seite wahrscheinlich sind, vielleicht mit dem Ziel, die Entschlossenheit bzw. Erfolge der Sicherheitsbehörden zu demonstrieren.
Auch internationale Nachrichtenstationen wie CNN, die amerikanische Bundespolizei FBI, die mexikanischen Behörden und private Sicherheitsfirmen verfolgen den Blog del Narco, der oft sehr (ermittlungs-) relevante Informationen zur Sicherheitslage in Mexiko und aktuellen Rivalitäten zwischen den Kartellen enthält.[3][4]
Immer wieder tauchen Videos auf, in denen Personen von Maskierten unter vorgehaltener Waffe (und zum Teil nach offensichtlicher Folter) "befragt" werden und "Geständnisse" abliefern oder andere Personen der Korruption oder anderer Straftaten bezichtigen.[5]In zumindest einem Fall führte ein solches Video direkt zu Verhaftungen: Vermummte Bewaffnete, offensichtlich Mitglieder des Zetas-Kartells, zwangen einen (mutmaßlich) korrupten, gefolterten Polizisten vor laufender Kamera zuzugeben, dass das Sinaloa-Kartell für ein Massaker in Torreón verantwortlich sei, bei dem 17 Personen auf einer Party erschossen wurden. Weiters gab der Polizist an, dass die Täter Gefängnisinsassen gewesen seien, die nachts freigelassen wurden, damit sie für das Sinaloa-Kartell die Auftragsmorde begehen konnten. Das Video endet damit, dass der Informant mit einem Kopfschuss hingerichtet wird. Die Veröffentlichung des Videos führte zur sofortigen Verhaftung des von dem Polizisten genannten Justizwachebeamten und anderen.[6]
Kritik
Carlos Lauria vom Committee to Protect Journalists (CPJ) kritisiert den Blog del Narco dafür, dass er keine ethischen Prinzipien beachte und keine Rücksicht auf die soziale Verantwortung, die Medien gegenüber der Öffentlichkeit haben, nehme.[7] Die Intention des Betreibers liegt laut eigenen Angaben darin, alle Einsendungen zu posten, unabhängig davon, wie grausam und verstörend sie sein mögen. Kritiker halten dies für problematisch, da der Blog den Kartellen eine öffentliche Plattform biete, um die Bevölkerung einzuschüchtern und in Angst zu versetzen. Der Betreiber verteidigt sich: die Gewalt in Mexiko sei nicht darauf zurückzuführen, dass die Leute im Blog darüber lesen, sondern habe tieferliegende Ursachen. Er beschreibt seine Motivation: "Die Idee, den Blog del Narco zu schaffen, kommt daher, dass die Medien und die Regierung in Mexiko vorgeben, dass GAR NICHTS PASSIERT, da die Medien eingeschüchtert sind und die Regierung offenbar gekauft ist." Er wollte daher "ein Kommunikationsmedium schaffen, mit dem wir den Leuten die Geschichten exakt so mitteilen können, wie sie passiert sind."[8]
Dennoch bleibt die Frage offen, ob die Spirale der immer grausamer und bizarrer werdenden Brutalität nicht auch dadurch angeheizt wird, dass die PR-bewussten Kartelle sich in den mittels Blogs verbreiteten Nachrichten und Videos immer wieder gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Z.B. sind seit den letzten Jahren unzählige Enthauptungen zu verzeichnen, ein Phänomen, das vor 2006 kaum bekannt war.[9] Im Sinne psychologischer Kriegsführung versuchen die Kartelle, sowohl ihre Gegner als auch die Bevölkerung mittels spektakulärer und symbolgeladener Gewaltakte zu terrorisieren (und sich darin jeweils zu überbieten). So fanden sich mittlerweile auf Kreuze aufgespießte Köpfe ebenso wie gehäutete Köpfe oder Köpfe, die zusammen mit Schlangen im Kofferraum von Autos deponiert wurden.[10]
Weltweite Berichterstattung über ein al-Kaida-Video einer Geiseltötung im Irak war offenbar ausschlaggebend dafür, dass ab 2007 auch diese Taktik von den Kartellen übernommen wurde. Seitdem stellen die Narcos immer wieder Filmmaterial ins Netz, auf dem sie bei der Folterung, Tötung und teilweise auch Zerstückelung ihrer Opfer zu sehen sind. Während YouTube die gewalttätigen Filme sofort entfernt, sobald sie entdeckt werden, bleiben sie auf anderen Websites wie den Narcoblogs weiterhin abrufbar.
Einzelnachweise
- ↑ http://www.npr.org/2011/09/23/140745739/mexican-drug-cartels-now-menace-social-media
- ↑ http://www.boingboing.net/2010/09/14/narco.html
- ↑ http://www.dailymail.co.uk/news/article-1302780/Blog-del-Narco-Computer-student-voice-Mexican-drug-war.html
- ↑ http://www.npr.org/2011/09/23/140745739/mexican-drug-cartels-now-menace-social-media
- ↑ http://www.hispanicallyspeakingnews.com/el-blog-del-narco/details/narco-blog-5-gunmen-interrogate-police-officer-video/13157/
- ↑ http://www.worldaffairsjournal.org/article/no-mans-land-mystery-mexicos-drug-wars
- ↑ http://www.rendon.com/in-mexico-alternative-media-steps-in/
- ↑ http://www.boingboing.net/2010/09/14/narco.html
- ↑ http://www.time.com/time/world/article/0,8599,1839576,00.html#ixzz1uxjkspl7
- ↑ http://www.time.com/time/world/article/0,8599,1839576,00.html#ixzz1uxjkspl7
Weblinks
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